Visualisierung Luftbild zu Kalle Neukölln

Umbau statt Leerstand: Transformation leerstehender Warenhäuser

Kaufhäuser gehörten lange zum Stadtbild. Inzwischen sind sie eine Seltenheit geworden. Innenstädte müssen sich transformieren. Viele ehemalige Shopping-Tempel stehen leer. Riesige Aufgaben kommen auf Städteplaner zu. Abriss und Neubau oder Transformation und Umnutzung? Für letztere Option gibt es bereits kreative Beispiele. Ein Leuchtturmprojekt in Berlin ist das Kalle Neukölln, dem der Immobilienentwickler MREI neues Leben einhaucht. Wir haben mit Franziska Giffey, Wirtschaftssenatorin von Berlin, sowie Hans Stier, Partner bei MREI, über die Herausforderungen gesprochen.

Frau Giffey, es kommt immer wieder vor, dass Warenhäuser schließen und dann langsam aber sicher verfallen. Gleichzeitig fehlen in Deutschland hunderttausende Wohnungen. Liegt die Lösung nicht auf der Hand?

Franziska Giffey: Der Leerstand von Geschäften und auch von Warenhäusern und der gleichzeitige Wohnungsmangel sind stadtweit eine große Herausforderung. Der Gedanke, diese Gebäude in Wohnungen umzuwandeln, klingt vermeintlich einfach und verlockend, die Lösung ist aber natürlich komplexer. Wir wollen lebendige Innenstädte in allen Berliner Bezirken erhalten, in denen auch Warenhäuser als Anker eine Rolle spielen. Sie sind nicht nur Anlaufpunkte für den täglichen Bedarf, sondern auch Magneten, die weiteres Gewerbe anziehen, das Umfeld beleben und mehr soziales Miteinander schaffen. Nicht zuletzt sorgen sie für kurze Wege und damit für weniger Verkehr. Es ist aber entscheidend, dass der Einzelhandel sich weiterentwickelt und zukunftsfest aufstellt. Das heißt, es müssen innovative Konzepte entwickelt werden, die den Wandel in der Nutzung dieser Räume berücksichtigen, um so den Charakter unserer Berliner Zentren zu erhalten.

Und wie sieht es aus Entwickler-Sicht aus, Herr Stier?

Hans Stier: Für uns Immobilienentwickler liegen die größten Hürden meist beim Umbau, sei es beim Lärm- oder Brandschutz – und nicht zuletzt bei den Genehmigungen. Aus gutem Grund. Ein ehemaliges Kaufhaus zu einer Wohn-Immobilie umzubauen, ist nämlich auch aus technischer Sicht gar nicht so einfach. Zumal Kaufhäuser ja in Top-Einkaufsstraßen stehen, in denen kaum jemand wohnt. Oder wohnen will.

Es müssten also neue, kreative Ansätze her?

Franziska Giffey: Absolut. Der stationäre Einzelhandel in den Zentren steht unter starkem Veränderungsdruck, zum Beispiel durch den Online-Handel. Wir müssen kreativ sein und neue Wege finden, wie wir diese Räume nutzen und weiterentwickeln können. In Berlin haben wir bereits unseren „Zentrengipfel“ ins Leben gerufen, bei dem Vertreterinnen und Vertreter aus Handel, Gewerbe, Politik, Hotellerie, Gastronomie und Wirtschaftsförderung zusammenkommen, um genau solche Themen zu diskutieren und Lösungen zu erarbeiten. Ein Thema ist die Nutzungsmischung in Warenhäusern. Unser Ziel ist es, attraktive, lebendige Zentren mit modernen, innovativen Konzepten zu schaffen, die Menschen anziehen und ihnen eine vielfältige Auswahl an Angeboten, Begegnungen und Erlebnissen bieten. Dazu gehören auch Ideen wie die Integration von Kultur, Bildung und Freizeitangeboten zum Beispiel in vorhandene Warenhäuser, um auch neue Zielgruppen anzuziehen.

So ein Ort soll das Kalle Neukölln werden. Was haben Sie für Ideen, Herr Stier?

Hans Stier: Kurzgesagt wollen wir hier ein Social-Hub entstehen lassen. Einen Ort, der Unternehmen anzieht, der für die Menschen, die dort arbeiten, attraktiv ist und der gleichzeitig zu einem Anziehungspunkt für die Öffentlichkeit wird. Wir wollen nicht wie ein UFO im Kiez landen, sondern das Objekt gemeinsam mit den Akteuren vor Ort betreiben. Also immer im Dialog mit Anwohnern, Politik und Geschäftsleuten bleiben. Ich denke, so ein Projekt funktioniert immer besser, wenn es sich behutsam in die Gegend einfügt und der Nachbarschaft nicht oktroyiert wird. Vor allem in Neukölln, gerade in der Karl-Marx-Straße wollten wir nicht wie ein Fremdkörper herausstechen.

Stichwort Unternehmen: Was können Sie Firmen bieten, die sich hier niederlassen wollen?

Hans Stier: Wir wollten den Begriff New Work schon von Beginn an, also bei der Architektur, umsetzen. Eine Barista-Kaffeemaschine und der Kickertisch reichen da nicht mehr aus. Firmen, die für ihre Mitarbeiter attraktiv sein und bleiben wollen, müssen heute einiges bieten. Dazu gehören aufwendige Küchen, perfekt ausgestattete Besprechungsräume und offene Flächen für Brainstormings oder Kundengespräche. Gleichzeitig wollen sie auch Rückzugsorte für das ruhige und konzentrierte Arbeiten. All das haben wir bei der Planung berücksichtigt. Bei uns geht New Work aber noch darüber hinaus: Nach der Arbeit noch schnell einkaufen, ins Gym gehen oder in den Pool springen? Im Kalle haben wir alles an einem Ort, um sich vom Büro direkt ins Leben zu stürzen. Mit unserem Konzept konnten wir zumindest schon renommierte Mieter überzeugen, die sich an einem besonderen Platz in Berlin niederlassen wollten. Darunter die Delta Group, die Code University und der britischen Plattenladen Rough Trade.

Und warum sollten die Berliner das Kalle besuchen?

Hans Stier: Weil das Kalle für alle da ist. Und ganz sicher einen Besuch wert ist. Ein besonderes Highlight wird der Dachgarten mit seinen Gewächshäusern und gleich zwei Restaurants mit über 500 Sitzplätzen. Eine Oase über den Dächern Neuköllns sozusagen. Ein weiterer Anziehungspunkt wird das Erdgeschoss sein. Hier entsteht eine Food Hall, in der wir Kulinarik-Entrepreneurs eine Bühne bieten wollen, einen Platz an dem sie sich und den Markt ausprobieren können: Die Kalle Halle. Ebenfalls super: Kalle Live, wo Konzerte, Messen oder Corporate Events stattfinden können. Einer unserer Mieter, Rough Trade, plant hier bereits regelmäßige Record-Release-Parties.

Sie selbst haben das Kalle auch schon besucht, Frau Giffey. Was halten Sie von dem Projekt?

Franziska Giffey: Das Kalle Neukölln ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie durch die innovative Umnutzung bestehender Gebäude Raum für neue Unternehmen, Kultur und Miteinander geschaffen werden kann. Die Lage im Herzen Neuköllns ist natürlich super. Hier wird dem ehemaligen Kaufhaus samt Parkhaus, das schon von Quelle, Karstadt und SinnLeffers genutzt wurde, komplett neues Leben eingehaucht. Damit der stationäre Einzelhandel weiter bestehen kann, muss er mehr bieten als Waren. Mit dem Restaurant samt großer Dachterrasse mit Blick über die Stadt wird dem zum Beispiel Rechnung getragen. Wenn es gelingt, ein Gesamtpaket zu schaffen, dann stärkt das den Wirtschaftsstandort Neukölln und auch Berlin insgesamt. Das Kalle Neukölln kann so wirklich ein Modell für die Zukunft moderner Stadtentwicklung in Berlin werden.

Das Interview wurde von Constanze von Kettler, Agentur für Pressearbeit TEAM CODE ZERO, geführt.

(Quelle: TEAM CODE ZERO, Dezember 2024 | "Umbau statt Leerstand - Was tun mit leerstehenden Warenhäusern?")


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