Künstlerische Darstellung des NASA-Raumschiffs Europa Clipper, das sich 2024 auf den Weg ins Jupitersystem gemacht hat. Die Sonde wird ab 2030 den Mond Europa umkreisen, der einen Ozean aus flüssigem Wasser unter seiner eisigen Kruste verbergen könnte – ein möglicher Lebensraum. Geplant sind 49 Vorbeiflüge in Höhen zwischen 25 und 2.700 Kilometern. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist an der Mission beteiligt.
Grafik der NASA-Raumsonde Europa Clipper, die mit einer SpaceX Falcon Heavy Rakete vom Kennedy Space Center in Florida startet. Die Darstellung zeigt den geplanten Zeitplan der wichtigsten Wegmarken unmittelbar nach dem Start am 14. Oktober 2024 um 18:06 Uhr MESZ, einschließlich der Trennung des Raumfahrzeugs von der Rakete, die etwa eine Stunde nach dem Start erfolgen wird.

Ozean unter Europas Eis?

Kaum ein anderer Mond im Sonnensystem übt eine solche Faszination aus wie Europa, einer der vier großen Trabanten des Gasplaneten Jupiter. Von einer hell schimmernden Eiskruste umgeben vermutet man unter der rund minus 160 Grad Celsius kalten Oberfläche einen 100 bis 150 Kilometer tiefen Ozean, der mehr Wasser enthalten könnte, als alle Ozeane der Erde zusammen. Am 14. Oktober um 18.06 Uhr MESZ erfolgte  der Start der NASA-Raumsonde Europa Clipper, die den Ozean unter dem Eispanzer Europas bestätigen und viele weitere Erkenntnisse zu diesem exotischen Himmelskörper gewinnen soll. Vielleicht kann sogar aktiver Kryo- oder Eisvulkanismus beobachtet werden. Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) ist mit dem Institut für Planetenforschung in Berlin wissenschaftlich an der Mission beteiligt.

Europa Clipper ergänzt sich ideal mit der im April 2023 gestarteten Mission JUICE (JUpiter ICy Moons Explorer) der Europäischen Weltraumorganisation ESA, die ab 2031 die großen Monde Jupiters untersucht, deren Schwerpunkt aber auf der Erforschung des Eismonds Ganymed liegt, unter dessen Oberfläche ebenfalls ein tiefer Ozean vermutet wird.

Messdaten und Modelle zeigen, dass das Wasser des erdmondgroßen Monds Europa unter der Eiskruste nicht gefroren ist. Trotz der großen Sonnenentfernung – Europa empfängt nur etwa vier Prozent der Sonnenenergie wie die Erde – und der vergleichsweise geringen Größe des Körpers befindet sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ein mächtiger Ozean zwischen Eiskruste und Gesteinsmantel. An der Existenz eines Ozeans unter Europas Eiskruste gibt es also kaum Zweifel – aber auch diese möchte die Planetenforschung endgültig ausräumen.Wichtiges Ziel der Mission ist jedoch, herauszufinden, in welcher Tiefe der Ozean beginnt und ob von ihm kryovulkanische Aktivität („Eisvulkanismus“) an der Oberfläche ausgeht. Denn die Gezeitenkräfte, die Jupiter auf Europa ausübt, führen möglicherweise zu einem dynamischen Austausch zwischen dem Ozean unter der Eiskruste und der Oberfläche Europas. Das Ozeanwasser gelangt durch Risse im Eis auf die Oberfläche, auf der es rasch gefriert.

Leben in einem subkrustalen Ozean?

Mehr noch: Das Wasser dieses subkrustalen Ozeans könnte an seinem Grund den darunterliegenden, durch den Zerfall radioaktiver Elemente erhitzen Gesteinsmantel durchströmen und könnte dort Minerale lösen. Dieses „Salzwasser“ wird dann in den Ozean, ähnlich wie an den „Schwarzen Rauchern“ in den irdischen Ozeanen, zurückgespült. Das macht ihn mineralhaltig, wie wir es von der Erde kennen. Durch die Gezeitenverformung des Monds bricht das Eis der Oberfläche auf, durch die Risse kann das salzhaltige Wasser auf die Eisoberfläche dringen. Danach gefriert der Riss sofort wieder zu. Die bei diesem Kryo- oder Eisvulkanismus ausgefällten und abgelagerten Mineralsalze konnten spektroskopisch bereits nachgewiesen werden.

In der globalen Ozeanschicht könnten also Temperaturen und chemische Bedingungen herrschen, wie sie auch vor über dreieinhalb Milliarden Jahre in den Ozeanen der Erde vorherrschten, als dort, an warmen Wasserströmen am Grund der irdischen Ozeane, das Leben auf der Erde entstanden sein könnte. Ein Ozean unter Europas Eiskruste könnte also durchaus eine „habitable Zone“ sein, eine lebensfreundliche Welt, in der die Existenz von einfachen Lebensformen denkbar ist. Ob darin tatsächlich komplexere organische, kohlenstoffhaltige Moleküle als Vorstufen von Lebensformen enthalten sind – auch das soll der Europa Clipper herausfinden. Es gibt Untersuchungen, die zeigen, dass der subkrustale Ozean auf Europa sogar schon länger existiert als die Ozeane der Erde.

Zwischen 2030 und 2034 Untersuchung von Europa

Nach ihrem Start wird die über sechs Tonnen schwere Sonde zunächst zwei Schleifen im inneren Sonnensystem ziehen und dabei am 28. Februar 2025 am Mars und am 2. Februar 2026 an der Erde bei sogenannten Gravity-Assist-Manövern, ähnlich wie bei der Mission JUICE, so stark beschleunigt, dass sie am 11. April 2030 nach fast drei Milliarden Reisekilometern das knapp 800 Millionen Kilometer von der Sonne entfernte Jupitersystem erreichen wird. Dort angekommen, wird der Europa Clipper Jupiter umkreisen und zunächst drei nahe Vorbeiflüge am größten Jupitermond Ganymed absolvieren. So kann der Orbit verändert werden, um dann die geplanten 49 nahen Vorbeiflüge an Europa zu ermöglichen.

Bei jedem Vorbeiflug wird die Sonde weniger als einen Erdentag in der gefährlichen Strahlungszone in der Nähe zu Jupiter verbringen, bevor sie sich wieder in strahlungsärmere Regionen entfernt. Alle zwei bis drei Wochen wird die Sonde diesen Vorgang wiederholen. An Bord von Europa Clipper befinden sich neun wissenschaftliche Instrumente und ein Gravitationsexperiment, welches das Telekommunikationssystem nutzt. Alle wissenschaftlichen Instrumente werden bei jedem Durchgang gleichzeitig arbeiten.

Zehn Experimente werden Europa untersuchen

Das DLR ist mit Dr. Hauke Hußmann und Dr. Ana-Catalina Plesa vom Berliner Institut für Planetenforschung an der Mission wissenschaftlich beteiligt. Das Wissenschaftsteam des Radarexperiments REASON (Radar for Europa Assessment and Sounding: Ocean to Near-surface) versucht, mit hochfrequenten (HF, 3-30 Megahertz) und sehr hochfrequenten (300 Megahertz bis 3 Gigahertz, VHF) Radarwellen direkt in die eisige Hülle von Europa zu blicken. Es wird vermutet, dass die Eiskruste vielleicht nur 10 bis 20 Kilometer oder stellenweise nur wenige Kilometer dick ist – darunter folgt der Ozean. REASON sendet Radiowellen aus, die an Strukturen im darunter liegenden Eis reflektiert werden. Das Instrument misst die Laufzeit, Stärke und Frequenz der Wellen. Damit könnte der vermutete Ozean bestätigt, die Dicke des Eises und dessen innere Struktur abgeleitet und vielleicht sogar Wasserkörper im Eis gefunden werden, die mit Oberfläche und Ozean verbunden sind. An REASON ist auch die Technische Universität Dresden beteiligt.

Außerdem ist das DLR am Experiment „Gravity/Radio Science“ (G/RS) wissenschaftlich beteiligt. Europa Clipper durchquert das Schwerefeld von Europa in verschiedenen Entfernungen von Jupiter. G/RS untersucht, wie die Flugbahn der Sonde bei jedem Vorbeiflug durch die Schwerkraft von Europa verändert wird. Damit lässt sich herausfinden, wie sich der Mond verformt, was wiederum Aufschluss über die innere Struktur von Europa gibt. Bei Schwerkraftexperimenten senden Funkantennen auf der Erde ein Funksignal an Europa Clipper. Das Raumschiff sendet dann auf genau derselben Frequenz Signale zurück zur Erde. Dabei verschiebt sich durch Beschleunigung oder Abbremsen des Satelliten bei den Europa-Vorbeiflügen durch die Gravitation von Europa die Frequenz des Signals zu längeren und kürzeren Wellenlängen – die „Dopplerverschiebung“. Das liefert Informationen über die Bewegung der Sonde und damit über das Schwerefeld von Europa. Im Idealfall lässt sich dann auch herausfinden, wie tief der Ozean ist.

An Bord des Europa Clipper befinden sich ferner eine Kamera für das sichtbare Licht und das nahe Infrarot, ein Instrument zur Messung des thermalen Infrarot, das Temperaturen misst und beispielsweise wärmeres, frisch auf die Oberfläche ausgetretenen Wasser identifizieren könnte, sowie ein Ultraviolett- und Infrarotspektrometer zur Bestimmung der chemischen und mineralogischen Bestandteile an der Oberfläche. Außerdem ein Magnetometer, ein Plasmainstrument, ein Massenspektrometer und einen Staubdetektor, der winzige, von Meteoriten ins All geschleuderte Teilchen oder Eispartikel, die vom Ozean stammen messen kann; an diesem Experiment ist die Freie Universität Berlin beteiligt. 

Jupitermond Europa

Entdeckt wurde Europa im Januar 1610 fast zeitgleich von Galileo Galilei und dem Ansbacher Astronomen Simon Marius. Beide entdeckten in zwei aufeinanderfolgenden klaren Januarnächten nördlich und südlich der Alpen vier Monde, die den Jupiter umkreisen. Galilei veröffentlichte seine Beobachtung sofort, Marius erst mit einer Verzögerung. Die vier Monde (von innen nach außen) Io, Europa, Ganymed und Callisto wurden später die „Galileischen Monde“ genannt. Europa ist mit einem Durchmesser von 3122 Kilometern fast genauso groß wie der Mond der Erde. Im Jahr 2024 sind 95 Monde bekannt, die den Jupiter umkreisen.

Der Name Europa – also auch unseres Kontinents – stammt aus der griechischen Mythologie. Göttervater Zeus verliebte sich in die Tochter von König Agenor und seiner Gattin Telephassa. In einen Stier verwandelt, entführte Zeus auf seinem Rücken Europa nach Kreta.

Die Vorbeiflüge der beiden NASA-Raumsonden Voyager I und II im Jahr 1979 zeigten die Galileischen Monde erstmals in detailreichen Aufnahmen. Bei Europa fiel sofort auf, dass es auf der Eiskruste so gut wie keine Einschlagskrater gibt. Das bedeutet, dass die Oberfläche sehr jung, und, so wie sie sich heute zeigt, nicht lange dem Bombardement von Asteroiden ausgesetzt war.

Auf den Bildern mehrerer Vorbeiflüge der Raumsonde Galileo (1995-2003) waren zudem unzählige Risse und lange, schmale, Bergrücken zu sehen, durch die vermutlich Wasser aus dem Untergrund an die Oberfläche gelangte, das dort sofort gefror und die Oberfläche dadurch erneuerte. Fotogeologische Untersuchungen, geophysikalische Modelle und der Nachweis eines durch Jupiter induzierten Magnetfeldes im Ozean mit seinen ionisierten Salze-Ionen führten zu dem Schluss, dass unter dem Eis ein womöglich bis zu hundert oder mehr Kilometer tiefer Ozean existieren könnte.

Durch die enormen Gezeitenkräfte, die Jupiter auf den in nur 600.000 Kilometer über der Wolkendecke kreisenden Mond ausübt, und zusätzlich wirkende Resonanzeffekte mit den Nachbarmonden Ganymed und Io wird Europa während seiner Umrundungen Jupiters stark verformt. Die Kruste des Monds hebt und senkt sich bei den Umläufen bis zu 60 Meter und der ganze Körper wird dabei gewissermaßen durchgewalkt, so dass das Wasser auch in dieser großen Sonnentfernung bei dem relativ kleinen Körper Europa nicht gefriert (oder zumindest nicht vollständig gefriert, auch eine Mischung aus Wasser und Eis wird diskutiert) und gleichzeitig die Gesteine des tiefer gelegenen Mantels erhitzt werden

Die Schwerkraft zieht auf der dem Jupiter zugewandten Seite stärker an Europa als auf der abgewandten Seite. Gleichzeitig ist die Umlaufbahn von Europa elliptisch, so dass der Abstand des Monds zu Jupiter variiert. Da die Stärke der Schwerkraft das umgekehrte Quadrat der Entfernung ist, ist der Unterschied in der Schwerkraft zwischen der nahen und der fernen Seite des Monds umso größer, je näher Europa dem Jupiter kommt. Infolgedessen wird Europas Kugelform in Richtung Jupiter zu einem länglicheren Körper deformiert, wenn sie sich dem Jupiter nähert, und wieder „kugeliger“, wenn sie sich weiter vom Jupiter entfernt. Wenn Europa seine Form ändert, wird im Inneren Reibungswärme erzeugt und gleichzeitig ändert sich auch sein Schwerefeld – was gemessen werden kann.

Quelle: Pressemitteilung DLR „Gibt es einen Ozean unter dem Eis des Jupitermonds Europa?“, 14.10.202

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