Das Bild zeigt eine seitliche Ansicht einer Forschungsprobe in Petrischale unter dem Mikroskop.

Mitochondrien verraten Blutzellenursprung: Bekanntgabe Gewinner Forschungs-Nachwuchspreis

Der Biochemiker und Arzt Dr. Dr. Leif S. Ludwig (40) vom Berlin Institute of Health in der Charité (BIH) und dem Max Delbrück Center erhält den Paul Ehrlich- und Ludwig Darmstaedter-Nachwuchspreis 2023. Leif Ludwig hat ein Verfahren entwickelt, das die lebenslange Neubildung der Zellen des menschlichen Blutes bis zu 1,000-mal preiswerter, schneller und zuverlässiger analysieren kann als bisher möglich. Damit versetzt er die Medizin zum ersten Mal in die Lage, die Aktivität einzelner Blutstammzellen im Menschen mit vertretbarem Aufwand zu bestimmen.

Unser Blut erneuert sich ständig. In jeder Sekunde fließen ihm Millionen neuer Zellen zu, die absterbende Blutkörperchen ersetzen. Sie entspringen aus hämatopoetischen (blutbildenden) Stammzellen im Knochenmark und reifen dann Schritt für Schritt über mehrere Vorläuferstufen aus. Dabei werden traditionell vier große Entwicklungslinien unterschieden: Die erste Linie produziert die roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff transportieren. Die zweite liefert die Thrombozyten, die Blutungen stoppen und Wunden heilen lassen. In der dritten Linie entwickeln sich die weißen Blutkörperchen, die die Zellen der angeborenen Immunabwehr bilden, wie beispielsweise die Granulozyten, und in der vierten Linie entstehen die B- und T-Zellen, auf deren Einsatz unsere im Infektionsfall erworbene Immunabwehr gründet. Je weiter die Forschung voranschritt, desto undeutlicher ließen sich diese Linien jedoch gegeneinander abgrenzen.

Ursprung der Blutzellen und unübersichtliche Verwandtschaftsverhältnisse

Unser Blut erneuert sich ständig. In jeder Sekunde fließen ihm Millionen neuer Zellen zu, die absterbende Blutkörperchen ersetzen. Sie entspringen aus hämatopoetischen (blutbildenden) Stammzellen im Knochenmark und reifen dann Schritt für Schritt über mehrere Vorläuferstufen aus. Dabei werden traditionell vier große Entwicklungslinien unterschieden: Die erste Linie produziert die roten Blutkörperchen, die den Sauerstoff transportieren. Die zweite liefert die Thrombozyten, die Blutungen stoppen und Wunden heilen lassen. In der dritten Linie entwickeln sich die weißen Blutkörperchen, die die Zellen der angeborenen Immunabwehr bilden, wie beispielsweise die Granulozyten, und in der vierten Linie entstehen die B- und T-Zellen, auf deren Einsatz unsere im Infektionsfall erworbene Immunabwehr gründet. Je weiter die Forschung voranschritt, desto undeutlicher ließen sich diese Linien jedoch gegeneinander abgrenzen.

Die hämatopoetischen Stammzellen wurden 1961 entdeckt, was in den 1970-er Jahren zu Knochenmarkstransplantationen führte, mit denen bestimmte Formen von Blutkrebs behandelt werden. Weil dazu zuvor die patienten-eigenen Blutstammzellen mit Strahlen- oder Chemotherapie zerstört werden, konnte man nun sehr gut beobachten, wie sich transplantierte Zellen im Organismus des Empfängers verhalten. Daraus gewannen Wissenschaftler*innen viele neue Erkenntnisse darüber, wie das Blut gebildet wird. Allerdings waren die Ergebnisse nur eingeschränkt aussagekräftig, denn die transplantierten Stammzellen waren ja zuvor ihrem natürlichen Zusammenhang entrissen worden. Mit Hilfe von genetischen Markern gelang es seit den 1980er Jahren, die Entwicklung von Blutzellen auch in ihrem natürlichen Kontext im gesunden Organismus zu erforschen. Dieses sogenannte Lineage Tracing wandten Forscher*innen in den folgenden Jahrzehnten mit immer größerer Präzision an – allerdings nur in Tierversuchen, denn es verbietet sich von selbst, Menschen mit künstlichen genetischen Markern auszustatten.

Im menschlichen Blut ist Lineage Tracing nur durch die Beobachtung natürlicher Mutationen in der DNA möglich, die nach einer Zellteilung in der einen Tochterzelle vorkommen, in der anderen aber nicht, und sich so nur in bestimmten Zellfamilien (Klonen) weiterverbreiten. In den 2010er Jahren wurde versucht, solchen Mutationen im gesamten Erbgut von Blutzellen auf die Spur zu kommen. Das ist aber angesichts der mehr als drei Milliarden „Buchstaben“ (Basenpaaren) unseres Erbguts trotz modernster Methoden sehr teuer und fehleranfällig. Leif Ludwig verlegte sich daher auf den Nachweis natürlicher Mutationen in den Zellkraftwerken der Blutzellen, den Mitochondrien. Diese verfügen über ein eigenes, viel kleineres Erbgut von rund 16.600 Basenpaaren. Leif Ludwig verknüpfte deren Analyse mit den neuesten Einzelzell-Sequenzierungstechnologien (Single Cell-Omics) und konnte dadurch gleichzeitig Aussagen über den aktuellen Gesundheitszustand der untersuchten Zellen treffen. Inzwischen haben er und sein Team die von ihnen entwickelte Methode so verfeinert, dass sie in Knochenmarks- und Blutproben eines Patienten viele Zehntausende Zellen analysieren können.

Seit langem wird vermutet, dass die Blutstammzellen keine einheitliche Quelle sind, sondern vielmehr einen heterogenen Pool bilden, aus dem bei der unaufhörlichen Bildung neuen Blutes verschiedene, sich vielfältig verzweigende Entwicklungsflüsse entspringen. Aus einer Stammzelle könnten etwa nur Thrombozyten entstehen, aus einer anderen alle möglichen Blutzellen. Die Verwandtschaftsverhältnisse in unserem Blut sind also sehr unübersichtlich. Leif Ludwigs Analyseverfahren erlaubt nun, sie besser zu entwirren, um zum Beispiel zu erkennen, an welcher Abzweigung eine Leukämiezelle oder eine degenerative Veränderung entsteht. Es eröffnet der Humanmedizin erstmals die Möglichkeit, solche Untersuchungen in Zukunft im klinischen Alltag vorzunehmen und daraus therapeutische Konsequenzen abzuleiten. Beispielsweise um den Erfolg einer Stammzelltransplantation vorherzusagen oder auch Zellersatz- und Gentherapien gezielt zu verbessern.

Der Preis wird am 14. März 2023 durch die Paul Ehrlich-Stiftung in der Frankfurter Paulskirche verliehen.

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(Quellen: BIH Berlin Institute of Health at Charité, 24.01.2023;  Paul Ehrlich-Stiftung, 25.01.2023)